Man soll es kaum glauben, da muss ich mit Mitte 30 feststellen das ich in meinem Leben noch nie in Berlin war…
Viel habe ich über die Stadt und ihre Bezirke gehört und gelesen, geschichtsträchtig ist sie die Hauptstadt, keine Frage, aber auch kulinarisch hat sie einiges zu bieten. Eigentlich viel zu viel um alles an einem Wochenende zu erleben und in jedem guten Restaurant gewesen zu sein. Sicher, nicht nur die Zeit spielt eine Rolle sondern natürlich auch der Geldbeutel. Umso erfreuter war ich als Gregor mir von seinem Plan berichtete, Berlin knapp zwei Wochen vor mir zu besuchen. Er hatte auf der Homepage des Restaurants Tim Raue bereits einen Blick auf die Lunch-Karte geworfen und mir gesagt das sagenhafte 6-Gänge für sehr günstige 68,- € zu haben sind. Der Knaller dabei ist das man aus der ganzen Karten wählen darf.
Tim Raue ist mir im letzten Jahr auf der Chefsache in Köln bereits aufgefallen. Klar der Name war bekannt aber das er schaffen würde mich während seines ganzen Vortrags auf meinem Stuhl zu fesseln habe ich nicht gedacht.
Ich bin ja eher nicht so der Groupie-Typ aber danach hatte ich wirklich Lust mehr über den Koch und das ehemalige Gangmitglied Tim Raue zu erfahren.
Imponiert hat mir seine Aussage das er versucht mit jedem Gericht etwas nachhaltiges zu schaffen und er den Gast von Anfang an wissen lässt, dass es bei ihm mit ordentlich Bumms zugeht. Tim Raue definiert sich ganz klar über den Geschmack der Speisen und sagt das seine Küche wenig technisiert ist. Die Grundpfeiler in seinem kulinarischen schaffen sind die absolute frische der Produkte, (dieses denken hat er sich in Asien angeeignet) die natürliche süße, (beispielsweise aus einer Frucht) die säure (welche er so gewinnbringend einsetzt das sie einen Eindruck von Leichtigkeit und frische vermittelt) und immer schärfe. Beim Thema schärfe ist er nach eigener Aussage öfter mal über das Ziel hinausgeschossen, geht jetzt sparsamer damit um und möchte ohne zweifel auch zum Trinken animieren.
Zurück zu meinem Besuch in Berlin, Gregor war ja bereits da und hat mir derartig den Mund wässrig gemacht das ich es kaum erwarten konnte endlich dort zu sein. Meine Hotelauswahl fiel dieses mal auf das Scandic am Potsdamer Platz. Dies stellte sich als sehr gute Wahl heraus, zumal hatte ich noch einen Gutschein von Animod aus der Anfangs und Eröffnungszeit des Hotels. Zum Hotel kann ich nicht viel sagen, würde es aber uneingeschränkt weiter empfehlen. Sauber, ordentlich und ein durchdachtes Konzept welches bei den überwiegend nordischen Gästen sehr gut angenommen wird.
Nach einem kleinen Frühstück in der Feinschmecker Abteilung des KaDeWe, welches einfach nur unverschämt teuer war, zog ich wie ein klassischer Touri mit dem Doppeldecker durch Berlin. Die einzige Freude die ich im KaDeWe hatte war die riesige Auswahl an internationalen Lebensmitteln. Die gunst der Stunde wurde genutzt um ein paar Kleinigkeiten für meinen BBQ Koffer zu besorgen:
Am Freitag Mittag war es dann soweit, reserviert habe ich zum Lunch um 12:30 Uhr im Restaurant Tim Raue, dies geschah online und funktionierte Problemlos.
Durch eine Hofeinfahrt in der nähe des Checkpoint Charly gelangt man in einen Innenhof in dem sich der Eingang zum Restaurant befindet. Da waren sie endlich, die zwei Sterne am Eingang. Wie stolz muss ein Koch wohl sein, wenn er ein solches Schild an einem Restaurant das den eigenen Namen trägt anbringen darf…
Drinnen erwartete mich bereits eine überaus zuvorkommende Mitarbeiterin die kein bisschen künstlich oder aufgesetzt freundlich wirkte. Es war auch nichts zu spüren von dieser oftmals stocksteifen Sternerestaurant Atmosphäre. Ganz im Gegenteil, die Service Mitarbeiter sahen eher locker aus, in Blau gekleidete Herren und die Damen mit einen Bluse im asiatischen Stil. Aufgefallen ist jedoch die Wahl des Schuhwerks der Restaurantfachleute, weiße Chucks, bei jedem. Ich finde es klasse und freue mich das ich in kurzen Hosen und Sneakern nicht auffalle 😉
Wir bekamen einen schönen Tisch für zwei am Fenster zugewiesen mit dem ich sehr zufrieden war, gezeigt hat sich auch das die Reservierung dringend erforderlich gewesen ist. Das Restaurant sollte sich im laufe des Mittags bis auf den letzten Platz füllen.
Auf die Frage ob wir einen Aperitif wünschen habe ich der Empfehlung entsprochen und ein Gläschen Sekt für mich und meine Begleitung geordert. Noch bevor wir die Speisekarten hatten musterte ich das Restaurant und seine Gäste ausgiebig. Nix zu meckern! Wer mich kennt weiß das dies selten geschieht 🙂
Klare Formen und ein stimmiges Farbkonzept das aber auch nach zwei Stunden Aufenthalt nicht langweilig geworden ist.
Da es ja am helligen Tag war und ich für den Nachmittag noch einiges geplant hatte, entschieden wir uns beim Wasser zu bleiben. Abends würde ich gerne die Weinreise zum Menü mal mitmachen. Später dann sind noch verschiedene Säfte ins Spiel gekommen die wirklich toll waren.
Ich freute mich wie ein kleiner Bub auf das was da kommen sollte, nicht lange lies die Küche auf sich warten und schickte uns einen Gruß:
Der erste bissen war eine Scheibe vom Rettich, Senfaromen und frische machten sich am Gaumen breit, gefolgt von ein paar Scheibchen vom hauchdünnen Schweinebauch. Zum niederknien waren die die süßen Garnelen die mit einer Mixtur aus Cognac und dem besten aus der Garnele belegt waren. Das Gefühl von dem mir so geliebten Family-Style machte sich breit, hier eine Scheibe Bauch da eine Garnele und dort eine knusprige Nuss. Einfach toll und für einen Freund der asiatischen Küche wie mich ein erster Höhepunkt.
Bei der Auswahl des Menüs lässt uns Herr Raue, der übrigens fast stetig präsent war, freie Hand und aus der umfangreichen Menükarte wählen wie aus einem Baukasten. Ich habe mich für alle Dim Sum entschieden, ich liebe diese kleinen Teigtaschen von denen man nachsagt das Tim Raue und sein Team die besten weit und breit zubereiten. Übrigens die einzigen Gerichte auf der Karte bei denen die ansonsten aus dem Menü verbannten Kohlenhydrate in Form von einer Art Nudelteig zum tragen kommen.
Kurz nach unserer Bestellung finden auch schon die ersten Vorspeisen den Weg an unseren Tisch. Der Lachs hat mir sehr gut gefallen und war von außerordentlicher Qualität:
Und ich habe meine ersten Dim Sum bekommen. Alleine die Optik lies mich noch einen kurzen Moment verweilen bevor ich das erste mit meinen Stäbchen aufnahm. Was dann passierte lässt sich nur schwer beschreiben, dieses kleine etwas löste Emotionen bei mir aus die sonst vom Essen nicht kenne. Das ist für mich der perfekte Geschmack! Ich muss ehrlich zugeben, auch wenn das in Verbindung mit so etwas banalem wie einem Teigsäckchen komisch klingen mag, ich hatte vor Freude fast tränen in den Augen. Textur, Geschmack und Aromen waren in jeder Hinsicht perfekt Schade nur das ich jetzt nie wieder Dumplings essen kann ohne an diese zu denken:
Weiter ging es fröhlich mit noch mehr Dim Sum. Schweinebauch und Jakobsmuscheln fanden Weg an unseren Tisch. Noch immer total geflasht von der Ente, war es schwer den von mir selbst kreierten Spannungsbogen aufrecht zu halten. Vollkommen unnötig waren meine bedenken, jedes der kleinen Kunstwerke war ausgezeichnet und absolut stimmig:
Nach den in jeder Hinsicht erstklassigen Vorspeisen ging es in Richtung Hauptgang weiter. Es erübrigt sich wohl auch dieses mal zu erwähnen das es den Protagonisten in der Küche wiederum gelungen ist mich in den ‚Raue Bann‘ zu ziehen und in diesem Strudel der besonderen Erlebnisse bis lange nach dem Dessert gefangen zu halten. Spanferkel mit Sichuan Pfeffer und einem kleinen Mandarinensalat sowie die Dorade, von der Gregor mir noch mindestens eine Woche lang nach seinem Besuch erzählte, standen als erste Hauptgerichte vor uns:
Mir wurde definitiv nicht zu viel versprochen und ich verstand die Begeisterung vollends. Die Dorade war einzigartig in der Textur und das Zusammenspiel der Aromen klopfte leicht an die Synapsen und nötigte mein Belohnungszentrum im Kleinhirn dazu, dahingehend auf mich einzuwirken den Gang noch mal zu bestellen.
Zum Spanferkel gibt es nur wenig zu sagen, die Küche versteht es einfach aus einem eher gewöhnlichen Produkt das absolute, auf den Eckpfeilern der Tim Raue Philosophie gegründeten Grundlagen, dass einfach beste herauszuholen. Einfach Klasse! Tolles Handwerk!
Manny´s Beef und der Hummer standen auf dem Programm. Gleich sollte es die Küchencrew schaffen mich ein weiteres mal in Ekstase zu versetzen. Die unscheinbare Zunge zum Beef war der heimliche Star in diesem Gang. Gefüllt mit Tatar und eingerollt lag sie da in ihrem Schälchen und wartete darauf mich komplett zum durchdrehen zu bringen. Ich schaute meine Begleitung an uns sagte nur: „Das kann ich nicht“! Mehr ist mir dazu nicht mehr eingefallen. Ich merkte wie mich das ganze Menü einfach euphorisierte und unweigerlich gute Laune verbreitete. Redseligkeit und Scherze mit dem Service waren die logische Schlussfolgerung. Sogar Smalltalk mit dem Paar am Nachbartisch, welches auch alles fleißig per Kamera dokumentierte, war angesagt. Kaum durch geatmet und das erlebte nicht mal im Ansatz mental verdaut, verlangte auch schon das Dessert unsere Aufmerksamkeit.
Fröhlich und eigentlich schon gut gesättigt machte mir Tim Raue eine besondere Freude und servierte mir meinen Burrata persönlich. Natürlich nutze ich die Gelegenheit um ihm für das geleistete zu gratulieren und für das eben erlebte zu danken. Ich gab mich als heimlichen Fan zu erkennen und bekam die Menükarte mit Unterschrift als Souvenir. Büffelkäse mit Speck und Tapioka Soufflé mit Rhabarber waren der krönende Abschluss eines zwei Sterne Lunch Menüs. Der Käse ausgewogen und cremig mit knusprigem Sponge und dem Speck einfach herrlich! Das Soufflé bestach durch seine Leichtigkeit und trotzdem komplexen Volumen, das Eis, die Beeren, einfach alles in allem absolut Stimmig und durchdacht.
Zum Schluss kann ich nur sagen: „Danke Tim Raue für diesen wundervollen Nachmittag“!
Wir werden wieder kommen und insbesondere ich, werde die Menschen da draußen wissen lassen das Sie es fast geschafft haben mir ein Freudentränchen zu entlocken 😉
Also Leute, wenn ihr in Berlin besucht, besucht auch Tim Raue:
Online Reservierung und Adresse mit Telefonnummer Restaurant Tim Raue.
In kulinarischer Verbundenheit
Bernd Zehner